„Haben Sie die 6-teilige Bert-Brecht-Reihe da?“ fragt die Dame im dunkelblauen Mantel.

Steffi muss gar nicht im Computer nachschauen. „Nein, aber ich kann sie Ihnen bestellen. Am Montag ab 10 Uhr können Sie sie abholen.“

Man diskutiert noch kurz, ob die neunbändige Reihe nicht doch noch Vorzüge gegenüber dem Sechsbänder haben könnte, dann geht die Dame zufrieden ihres Wegs. Der Gatte wartet vor der Tür, es dürfen nur 3 Leute in den Laden, Corona, ihr wisst schon.

Es ist der Samstag vorm zweiten Advent. Ich stehe an der Kasse der Buchhandlung „Die Insel“ in der Greifswalder Straße in Berlin und finde den Glauben an die Menschheit wieder. Hier in dieser wunderbaren klitzekleinen Buchhandlung im „alten Prenzlauer Berg“, wo noch alte Leute neben Jungen in Büchern stöbern, wo der Familienpapa und der Jugendliche reinkommen, um etwas zu bestellen, wo ich das Gefühl habe, eine gute Mischung eines (zugegeben) bildungsbürgerlichen Publikums betrachten zu können, finde ich zur Hoffnung zurück, dass doch nicht alles verloren ist. Denn ich muss zugeben, nach den letzten Monaten hatte ich den Eindruck, es gibt viel mehr merkwürdige Menschen, die ich nicht mehr verstehe, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.

Buchhandlung Die Insel
World for kids

Nun also Buchhandlung. Ich helfe aus, es ist vor Weihnachten, und Steffi hat ihre Aushilfe abgesagt – nein das ist falsch, sie hat gar nichts mehr gesagt, sondern sich nie wieder gemeldet. Ghosting nennt man das seit Kurzem, ich kenne dieses Phänomen aber schon seit einigen Jahren: Eigentlich ist alles klar, der- oder diejenige will in 2 Wochen anfangen, nur eine kleine Absprache fehlt noch, dann taucht die Person ab und meldet sich nicht mehr. ???? Wieder diese Ratlosigkeit, die sich schon bei den Verschwörungstheoretikern breit gemacht hat. Warum macht jemand so etwas? Kann man nicht kurz absagen? Nee kann man nicht, also stehe ich jetzt hier.

Buchhandel macht Spaß! Mir jedenfalls. Und Steffi und ihrer Kollegin Friedericke auch. Das merkt man bei jedem Satz, den sie sagen, und sie sagen viele Sätze, denn sie kennen viele Bücher und können unglaublich gut beraten. Der Stil des Buches, die Sprache des Autors, natürlich der Inhalt, vielleicht auch noch ein kleiner biografischer Abriss? Oder nur ganz kurz: Gut oder nicht? All das haben die beiden natürlich auf der Pfanne.

Buchhandlung Die Insel
Buchhandlung Die Insel
Buchhandlung Die Insel

Aber es ist nicht nur das Wissen, was mich an den beiden so begeistert, sondern auch die Bereitschaft, alles für die Kunden herzuzaubern, was in ihrer Macht steht. Das eigene Barsortiment, also der Hauptlieferant für Bücher hat das Buch nicht am Lager oder listet es gar nicht mehr? Dann bestellen wir eben bei einem weiteren. Das Buch ist vergriffen und wird nicht mehr aufgelegt? Dann suchen wir es antiquarisch. Der Stammkunde aus dem Nachbarhaus möchte seinem Arbeitskollegen einen alten DDR-Film aus den 70ern zu Weihnachten schenken? Das kriegen wir hin.

Nichts ist zu aufwändig, wenn es den Kunden glücklich macht. Und der Kundenstrom reißt an diesem Samstag nicht ab. Erst als es draußen dunkel wird, die Kinder nach Hause wollen und der heiße Tee ruft, wird es etwas ruhiger. Dann kann Steffi zum Kindergeburtstag und Friedericke und ich räumen ein bißchen auf und bestellen nach. Damit die nächsten Kunden wieder genau das im Laden finden, was sie suchen: Gute Bücher, belesene Buchhändlerinnen voller Engagement und eine wunderbar gelassene Stimmung im Laden, die zum Verweilen und Stöbern einlädt.

Mich wundert es nicht, dass gerade die inhabergeführten Buchhandlungen gut durch die letzten Monate gekommen sind. Eine Buchhandlung wie diese sind Schätze für unsere Stadt und wärmen unsere Seele. Und das Schönste: Man nimmt diese Wärme mit nach Hause, sucht sich ein schönes Plätzchen und – liest.

Schöne Weihnachten wünscht euch

World for kids – Britta