Bär

Wie es wirklich ist, einem Bären zu begegnen

„Habt ihr schon einen Bären gesehen?“, das ist oft die erste Frage, die einem Kanadareisenden im Smalltalk gestellt wird. Wie es wirklich ist, erzählt Kanada for kids-Autorin Carolin Jenkner-Kruel.

„Habt ihr schon einen Bären gesehen?“, das ist oft die erste Frage, die einem Kanadareisenden im Smalltalk gestellt wird. Wer würde da nicht gerne mit „Ja“ antworten? Wir jedenfalls, und insbesondere die Kinder, haben natürlich auch gehofft, während unserer zehnwöchigen Sommertour einen Blick auf einen Schwarz- oder Grizzlybären zu erhaschen. Und gleichzeitig schwang eine gesunde Portion Furcht mit. Schließlich hatten wir in den sechs Monaten zuvor die wildesten Storys von Bärenbegegnungen gehört, und nicht jede hatte ein glückliches Ende. Manch einer empfahl uns gar, eine Schreckschusspistole zu kaufen. Aber wir beschränkten uns auf ein Bärenpfefferspray, eine Bärenglocke und unseren gesunden Menschenverstand.

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Pfefferspray und Bärenglocke

Das Bärenpfefferspray lässt sich mit einem Clip am Gürtel befestigen und dient der Selbstverteidigung, sollte der Bär einem sehr dicht auf die Pelle rücken – sprich: weniger als zwei Meter Abstand. Dann muss man natürlich auch noch im richtigen Moment sprühen und das möglichst ohne Gegenwind. Ganz ehrlich: für uns hatte das Pfefferspray eher einen psychologischen Effekt: Wir fühlten uns sicherer. Damit uns die Bären gar nicht erst so dicht auf die Pelle rückten, hatten wir meine Bärenglocke dabei, die ich 2002 bei meiner ersten Kanadareise von einer Australierin geschenkt bekommen hatte. Man befestigt sie ganz einfach am Rucksack, Schuh oder an der Jacke und bimmelt beim Wandern vor sich hin. Genauso gut kann man natürlich singen oder reden. Oder als Geschwister streiten. Hauptsache, der Bär hört, dass Menschen im Anmarsch sind und kommt gar nicht erst auf einen Pfefferspray-Abstand vorbei. Und um es gleich vorwegzunehmen: Die Wahrscheinlichkeit, einen Bären beim Wandern zu entdecken, ist viel geringer als vom Auto aus. Mit Elchen ist es übrigens genauso. Egal, ob in Kanada oder Schweden.

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Die Gier nach dem perfekten Bild

Aber zurück zu den Bären: Wir haben natürlich auf dem Weg nach Westen permanent die Augen aufgehalten, vor allem im Banff und Jasper Nationalpark. Und die erste Bärenbegegnung war eine ziemliche Enttäuschung. Nicht wegen des niedlichen Schwarzbären, sondern wegen uns Menschen und unseres unmöglichen Verhaltens. Wir fuhren durch Jasper, und plötzlich staute sich der Verkehr. Als wir zum Straßenrand blickten, erhaschten wir einen Blick auf einen Schwarzbären. Aber viel konnten wir nicht sehen, denn einige Touristen waren ausgestiegen, um den Bären zu fotografieren. Eine Rangerin versuchte vergeblich, ihnen zu erklären, dass sie bloß in ihren Autos bleiben sollten, weil es gefährlich für sie selbst und den Bären war. Sie tat mir so leid! Die Gier nach dem Foto überschattete jeglichen gesunden Menschenverstand bei manchen Leuten. Wir fuhren weiter mit einem heulenden Kind im Auto, das vor lauter Leuten und Autos den Bären nicht gesehen hatte. Unseren ersten Bären! Wer „Kanada for kids“ gelesen hat, kann sich nun vorstellen, dass dieses Erlebnis mich zu der Vorlesegeschichte „Selfie mit Grizzly“ inspiriert hat.

Zum Glück blieb dieses unschöne Erlebnis nicht unsere einzige Bärenbegegnung. In British Columbia und dem Yukon sahen wir noch häufiger Bären, die die Straße überquerten, einmal sogar eine Schwarzbärmutter mit zwei Jungen, einmal einen Grizzly, der einmal neugierig um unser Auto schlich, um dann weiter zu trotten. Jedes Mal blieb uns fast das Herz stehen, so schön, wenn auch kurz waren diese Momente.

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Überraschung beim Wandern

Und dann war da noch diese eine Wanderung im Kluane Nationalpark im Yukon. Eigentlich ein kleiner Katastrophentag, an dem wir vergaßen, den Kindern Wanderschuhe anzuziehen, weshalb sie in Crocs aus dem Dollarama einen steinigen Anstieg hochkraxelten (und trotzdem flotter waren als wir). Schon am Parkplatz hatten wir Europäer getroffen, die uns die typische Frage nach der Bärenbegegnung stellten. „Ach,“ winkte ich ab. „Wir sind als Familie so laut, dass uns beim Wandern nie ein Bär begegnen wird!“ Und wie war das mit dem niemals nie sagen? Nur eine Stunde später entdeckte mein Mann etwa 100 Meter von uns entfernt einen Schwarzbären, der gemütlich Blaubeeren fraß. Wir rückten zusammen, beobachteten ihn, fotografierten und hielten die Hundeleine fester. Nach wenigen Sekunden blickte der Bär in unsere Richtung, streckte seine Nase zu uns und schnupperte. Dann machte er kehrt und trottete davon. Ich gebe zu, dass ich in diesem Moment ein bisschen erleichtert war. Und auch mein Sohn flüsterte: „Jetzt habe ich aber doch ein bisschen Angst gehabt.“

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