Heute möchte ich über Geschwindigkeit schreiben, denn darin gibt es große Unterschiede zwischen Deutschland und Kenia.
Einige von euch werden nun vielleicht denken: „Jaja, das kann ich mir vorstellen.“ Nach dem Motto: „These guys there are only sitting under a tree, waiting for a Mango to drop.”
Dieser Spruch stammt allerdings nicht von mir, sondern von dem Barkeeper am Tiwi Beach, der damit sein Kopfschütteln über die Beach Boys zum Ausdruck bringen wollte, die am Strand rumhängen und darauf warten, dass sich endlich ein Tourist ihrer erbarmt und irgendetwas von ihnen kauft.
Hier sind sie also schon, die zwei Geschwindigkeiten: Einerseits der gemächliche, und gleichzeitig doch etwas verzweifelte Müßiggang der Beach Boys, andererseits das Kopfschütteln darüber von ihrem Landsmann hinter der Bar, dem Müßiggang völlig fern ist.
Nairobis Straßen: Vom Rasen zum Cruisen
In Nairobi ist das schon sehr anders. Die Stadt ist busy, busy, busy. Und mit ihr ihre Menschen. Das fällt als erstes beim Verkehr auf. Zwar hatte Nairobi sehr lange den Ruf, voller Stau zu sein – also in Bezug auf Geschwindigkeiten eher langsam zu sein. Doch seit es den Fly Over über die Stadt gibt, hat man zumindest die Möglichkeit, den Stau der Innenstadt zu umgehen, den es natürlich immer noch gibt. Die vierspurigen Straßen, über die man dann aber doch mit hohen Geschwindigkeiten düsen kann, sind gut ausgebaut und ermöglichen es, innerhalb von kurzer Zeit von einem Ende der Stadt zum anderen zu kommen. Und das gilt nicht nur für den Expressway, sondern auch für die vielen anderen Schnellstraßen rund um die Stadt.

Der Wechsel ist auch hier faszinierend: Eben kämpfst du dich noch zwischen stinkenden und Ruß ausstoßenden LKWs, Matatus und bergeweise Autos über die Schnellstraßen, dann fährst du runter, cruist durch die Stadt. In der Innenstadt erwartet dich ein Gewusel von Autos, Mopeds, Bussen und Fußgängern, alle wollen zuerst und lassen dann doch Platz für dich, cool bleiben ist hier die Devise. Und kaum 10 Minuten später kannst du an den schönsten und ruhigsten Grünanalagen vorbeifahren, über kaum befahrene Schnellstraßen, Hügel hinauf, Hügel hinunter, als wärst du schon gar nicht mehr in der Stadt, sondern im Naherholungsgebiet. Und so wie die Straßen auch die Attitude der Menschen in ihr. Hektisch und geruhsam, geschäftig und auf der Suche nach Erholung und Stille, all das gibt es hier, nur wenige Minuten voneinander entfernt.

Dienstleistungen: superfast und manchmal doch nicht
Wir beauftragen im Moment relativ viele Dienstleister. Das hat damit zu tun, dass wir nun in ein Mietshaus gezogen sind und wir hier einiges verändern wollen. Wir bauen ein Nebengebäude aus, wir pflanzen Rasen neu, wir lassen Möbel bauen oder einfach nur liefern. Und ab und zu wirft eins der Kinder das Handy runter und braucht ein neues Display – wirklich gleich zwei Mal in wenigen Wochen passiert. Grr. Aber, fangen wir damit an, es ist hier ja doch sehr einfach, so ein Handy reparieren zu lassen. Als es das erste Mal passierte, fanden wir heraus, dass es in einer der Shopping Malls im Stadtteil Parklands einen kleinen Laden gibt, wo man das Telefon abgibt. Man zahlt und eine Stunde später kann man es, versehen mit neuem Display, wieder mitnehmen. Wenn das dann das zweite Mal passiert, kann man auch einen Fahrer schicken, der es abholt und repariert wiederbringt. Auch alles innerhalb von einem Tag möglich, der Aufpreis für den Fahrer sind wenige Euro. Sehr convenient.
Noch angenehmer und schneller sind hier die Antwortzeiten auf eine Kontaktaufnahme. Grundsätzlich telefonieren die Leute hier viel mehr als ich das von Berlin gewohnt war. Alles andere findet via WhatsApp statt. Ein kurzer Chat, und schon ist die Anfrage beantwortet, ein Angebot gemacht, Montag bis Samstag, von 6 Uhr morgens bis 11 Uhr nachts. Die Anzahlung läuft über MPesa auf die gleiche Nummer wie auch die Bezahlung des Gesamtpreises am Schluss.

In Berlin hätte man für diese Dinge vermutlich mehrere Anrufe getätigt, Emails ausgetauscht, pdf-Dokumente gelesen, Beauftragungen erteilt, Termine ausgemacht, auf Teile gewartet und Überweisungsträger ausgefüllt. Das ist historisch gewachsen, aber in Deutschland hat die Digitalisierung unserer Welt oft nur Vorgänge, die man früher in Papierform abgearbeitet hat, ins digitale übersetzt. Hier in Kenia ist Digitalisierung etwas ganz anderes: Es ist die Verschlankung von Abläufen, die Reduzierung auf ein Kommunikationsmittel (das Telefon), mit dem Akquise, Abstimmung, Beauftragung, Kommunikation und Zahlungsabwicklung abläuft. Mit krass kurzen Antwortzeiten und hoher Verbindlichkeit.
Eine Dienstleistung zu beauftragen ist hier einfach. Man findet die Dienstleister über Portale wie Jiji, eine Mischung aus Amazon, Kleinanzeigen und MyHammer. Häufig sind es aber auch Empfehlungen anderer, die zum Ziel führen.
Aber auch bei der Umsetzung gibt es einige Unterschiede zu Deutschland. Wir staunen, wie schnell das alles geht. Der Umbau des Nebengebäudes ist in wenigen Tagen weit gediehen. Fensterdurchbrüche, Bau und Einbau neuer Fenster und Türen, Setup von Badezimmern, Wandverkleidungen, Fußböden, alles eine Frage von Tagen, nicht von Wochen. Alles wird vor Ort gemacht, angerührt, zusammengeschweißt. Ein bisschen grob ist die Ausführung. Auch hier: Alle Kommunikation findet über den einen Mann statt, der beauftragt wurde, er kümmert sich um den Rest. Natürlich per WhatsApp. Auch die Regenrinnen wurden innerhalb eines Tages angebaut – gestern beauftragt, heute abend fertig.

Natürlich geht auch mal etwas nicht so schnell. Unser Sohn hatte zum Beispiel sehr genaue Vorstellungen, wie sein Sofa in seinem Zimmer aussehen sollte. Das Gute: Man kann hier alles bauen lassen, denn die Möbel, die man hier an der Straße in den Werkstätten und Shops kauft, bauen sowieso alles direkt vor Ort. Also ist es durchaus normal, Wünsche zu äußern. Allerdings ist nicht immer garantiert, dass der Fundi, wie man die Handwerker hier nennt, das auch so umsetzt, wie man sich das wünscht. Dann kann sich so ein Auftrag auch mal in die Länge ziehen. Es kann auch passieren, dass eine angekündigte Lieferung erst einen Tag später kommt, ohne dass man informiert wird. Man sollte also trotz aller Geschwindigkeit immer ein bisschen Puffer einplanen oder sehr eindringlich darauf hinweisen, dass etwas zu einer bestimmten Zeit fertig sein muss. Und es kann auch mal sein, dass man an Betrüger gerät. Das gibt es. Aber bisher waren sie selten und unsere vielen poitiven Erfahrungen haben die wenigen negativen wieder wettgemacht.
Die Behörden und öffentlichen Stellen: Geht mal smooth und dauert mal ewig
Spannend wird es ja immer, wenn es um staatliche Behörden geht. Wir haben bisher nur mit den Stellen für unsere Visa zu tun gehabt. Und naja, was soll ich sagen, da nehmen sich Kenia und Deutschland nicht viel. Leider. Denn diese Dinge dauern hier genauso lange wie in Deutschland. Man kann absolut nichts dagegen tun, auch wie in Deutschland. Da heißt es abwarten und Geduld haben, was soll man machen.
Aber was ist mit der Post? Im letzten Blogpost hatte ich ja berichtet, dass wir auch ein paar Kartons mit dhl geschickt haben. Drei davon sind nun angekommen (hey, dhl, wo bleibt eigentlich der Rest?). Und das war dann wieder ein spannender Tag, diese Pakete bei der Post in der Innenstadt abzuholen. Es handelt sich dabei um ein Hochhaus, das etwas abseits der wuseligsten Straßen des CBD liegt. Glücklicherweise durften wir davor parken, denn die Kartons waren alle zwischen 20 und 30 Kilo schwer. Unten gibt es einen großen Raum voller Schalter. Wir mussten mit den Fahrstuhl in den zweiten Stock. Den kleinen Flur nach links, Tür auf und: „Wow!“ Vor uns liegt ein riesiger, hoher Raum, einem alten Speicher gleich. Lichtdurchflutet, mit alten Fliesen am Boden, hölzernen Tresen rings herum und abgetrennten Büros, in denen Leute an Schreibtischen sitzen. Man muss einige Holzstufen hinuntersteigen, und dann riecht man den Duft nach altem Papier und Staub, der hier alles durchdringt. Wir werden von Schalter zu Schalter und von Büro zu Büro geschickt. Alle sind sehr freundlich und zuvorkommend, auch die Dame vom Zoll. Am Schluss hilft uns ein junger Mitarbeiter beim Runtertragen (das kostet 500 Shilling, Madame) und wir sind wieder draußen. Mit Kisten und einer wunderbaren Erfahrung reicher.

Und auch hier kann man die zwei Geschwindigkeiten sehen: Im Büro der Damen, bei denen wir waren, stapelten sich, ordentlich aufgereiht und sortiert, die Papiere. Es gab Quittungsblocks und Zettel an den Schaltern, das Knallen der Stempel hallte durch den hohen Raum. Dazwischen Computer, QR-Codes und Datenbankabfragen, die aber auch in große Bücher übertragen wurden. Ein zweierlei der Modernität. Als wir jedoch unsere Passdokumente drucken lassen sollten, hat man uns ins Erdgeschoss geschickt, dort wurden uns in einem kleinen Raum innerhalb weniger Minuten die Ausdrucke angefertigt – Übermittlung natürlich wieder über WhatsApp möglich, Kosten 40 Shilling, das sind 30 Cent, ebenfalls mit dem Telefon bezahlt.
Das Afrika der zwei Geschwindigkeiten
Wir erleben es hier also täglich, das Afrika der zwei Geschwindigkeiten. Das alte, verstaubte mit den vielen Papieren und dicken Büchern voller schmaler, handschriftlicher Zeilen, gibt es immer noch. Aber es wird abgelöst durch die digitalen Vorgänge. Und diese sind praktisch, mit kurzen Prozessen und so formlos, dass es für uns Deutsche erst einmal einer gewissen Gewöhnungszeit bedarf, bis wir Vertrauen haben. Aber die hohe Verbindlichkeit, die mit allen Bestellungen, Käufen und Beauftragungen einhergeht, flößt uns Zutrauen ein. Wir sind es nicht gewohnt, dass Dinge per WhatsApp-Chat beauftragt werden. Dennoch funktioniert das hier so. Und zwar sehr gut. Das, was bei uns historisch gewachsene, komplexe Abläufe sind, an denen wir heute oft genug verzweifeln, weil alles so langsam und voller Reibungsverluste geht, ist hier vom ganz anderen Ende aufgezogen. Hier ist alles kurz und schnell. Manchmal entstehen Missverständnisse, manchmal bekommt man nicht exakt das, was man wollte. Aber man hat es erledigt.
Was interessiert dich an unserer Zeit hier in Nairobi? Schreib es mir gern – unter den Blog oder per Mail an info@world-for-kids.com Oder auch gern per WhatsApp, wenn du meine Nummer hast 😉