Neapel! Mehr Italien geht nicht

Verflogen? Egal! Viele Wege führen nach Rom. Und auch wieder raus.

Der Flughafen Neapels liegt ja quasi mitten in der Stadt, so dass man ultraschnell in seiner Unterkunft ist, die sich ja in den meisten Fällen eher im Zentrum befindet. Nicht so bei uns: Wegen Sturm über Neapel musste unser Flieger in Rom landen. Und konnte dann auch nicht weiterfliegen. Ähm… kurz überlegt: Hey, wir sind in Rom, wie cool! Also haben wir uns dort ein Zimmer gesucht und den ersten Urlaubstag am Morgen mit einem Stadtbummel zum Kolosseum gestartet. Die Mittagshitze haben wir im klimatisierten Zug nach Neapel zugebracht.

Exkurs: Transport in Italien

Zugfahren kann in Italien übrigens sehr günstig sein. Es lohnt sich, an den Fahrkartenautomaten die verschiedenen Züge zu checken, es gibt immer einen, der um die Hälfte günstiger ist, aber meist nur unwesentlich länger braucht. Die Fahrt von Neapel nach Rom beispielsweise kostete für 2 Erwachsene 26 €. Natürlich kann man auch schneller unterwegs sein, aber 2:45 fanden wir für 200km nicht so schlecht, wir hatten ja Zeit. Auch Neapel-Salerno mit dem Zug oder Salerno-Amalfi mit dem Boot hat nur ein paar Euro gekostet.

 
Neapel - Mit Trenitalia durch Italien
 

Und dann sind wir endlich da!

Von Napoli Centrale kommt man mit der Metro sehr einfach zum Spanischen Viertel, falls da die Unterkunft liegt. Einfach bis Station Dante oder Montesanto fahren. Und dann steigt man aus und das erste, was man wahrnimmt, wenn man die schmalen Gassen der Altstadt betritt, ist tatsächlich, Achtung Klischee, der Geruch der Wäsche, die an den Balkonen hängt. Verrückt.

Und da sind wir schon mittendrin in dieser quirligen Stadt. Das erste, das wir getan haben, nachdem wir unsere Unterkunft bezogen hatten, war ein Getränk in einer kleinen Bar zu nehmen. An den Tischen zu sitzen und dem Treiben auf der Straße zuzuschauen, zu den beiden alten Damen am Nachbartisch zu schielen, die ständig Bekannte auf Mopeds grüßten, hier ein Schwätzchen, da ein lautes Hallo, Tourist:innen mit Reiseführern, verliebte Pärchen und italienische Familien, alles wuselte umeinander und machte einen Heidenlärm. Und wir saßen mittendrin, erholten uns von der Anreise und genossen es, nichts tun zu müssen und trotzdem ein sehr lebendiges Programm geboten zu bekommen.

 
Neapel - Hinein in den Trubel
 

Stadtspaziergang einmal Neapel komplett bitte!

Tipps von meinem lieben Velegerkollegen Manuel, der mich erst auf die Idee brachte, nach Neapel zu reisen weil er selbst gerade von dort wiederkam.

Manuel: Bei Espresso-Preisen zwischen 90,- Cent und 1,20 € empfehlen sich regelmäßige Pausen, um die vielen Gassen und Straßen zu durchlaufen. In zwei Tagen kann man sich sehr gut den Innenstadtbereich erschließen. Vom Fischmarkt über die Corso Umberto I, gesäumt von Einzelhandelsgeschäften, von denen man gar nicht mehr wusste, dass diese noch in Metropolen existieren können, zu den berühmten Kirchen, durch die Krippengasse und ständig hält man inne: Immer wieder staunt man über die nächste Gasse, Übergänge zwischen den Häusern aus dem Mittelalter und moderne Architektur, die sich wunderbar einfügt. Nackenschmerzen in der Galleria Umberto I. bekommen, weil man gar nicht mehr aufhören kann, die Dachkonstruktion zu bewundern, überall begegnen einem kleine Heiligenschreine und natürlich der neapolitanische Totenkult.

Leider kann man aktuell wegen Umbaumaßnahmen den berühmten Friedhof Fontanelle nicht besuchen und muss sich die aufgestapelten Schädel und Gebeine über Kinofilme und Plattencover ins Gedächtnis rufen. In kleinerem Rahmen kann der Kult in der Kirche Santa Maria delle Anime del Purgatorio betrachtet werden. Eine Schädelskulptur grüßt am Treppenaufgang.

 
Hunderte Jahre alte Weihnachtskrippe
 

Krippengasse, Palazzo Reale und Fischerhafen

Dann lassen wir uns durch die Krippengasse treiben, kleben mit der Nase an den Fenstern der Herrenausstatter in der Via Toledo und versuchen, uns auf einer der berühmtesten Straßen Neapels – der Via Chiaia – vorzustellen, wie hier früher ein Karren mit Esel den Verkehr blockierte. Eine Szene, die Alfred Sohn-Rethel eindringlich in einer seiner Neapel-Erzählungen vor 100 Jahren beschreibt. Heute stauen sich hier nur noch die Touristenströme. Und die Autos müssen draußen bleiben.

Teils verkehrsberuhigt geht es am imposanten Herrschaftssitz Palazzo Reale vorbei auf die Uferpromenade von Neapel – eine der schönsten Strecken der Stadt. Landeinwärts befinden sich die prachtvollsten Hotels und zur See hin das Castel dell’Ovo und der kleine Fischerhafen, von dem aus die Ware direkt in die kleinen Restaurants unterhalb der Burg gebracht wird. Nach fast zwei Kilometern steht man dann plötzlich im Stadtpark Villa Communale, in dem sich auch das älteste Aquarium Europas befindet.

Für das Mittendrin empfehle ich übrigens, vor dem Verkehr keine Angst zu haben: Beherzt auf den Zebrastreifen gehen und sich unbeeindruckt zeigen, wenn die Vespas durch die engen Gassen pesen. Die Neapolitaner:innen achten tatsächlich im Verkehr darauf, was die anderen machen. Dieser scheint zwar keinen Regeln zu folgen, aber ich bin immer wieder erstaunt, wie reibungslos und friedlich alles funktioniert. Vor allem fehlt ihm jegliche Aggressivität und die Hupe wird ironisch oder warnend eingesetzt.

 
Neapel Pesceria
 

Fisch und Meeresfrüchte auf die Hand

Also auch für uns: Auf, auf, ein wenig Herumlaufen tut gut. Die ersten beiden Tage haben auch wir ausschließlich per pedes in dem wunderbaren Altstadtbezirk verbracht. Haben ein winziges Museum für Typografie entdeckt, einem Buchbinder und einem Geigenbauer beim Arbeiten in ihrer Werkstadt zugeschaut, sind den Mopeds aus dem Weg gesprungen und haben frittierte Meeresfrüchte bei der Pesceria am Metrobahnhof Montesanto gefuttert (Tüte auf die Hand 7€, das Peroni dazu 1€).

 
Köstliches Zitroneneis - pure Natur!
 

Restauranttipps:

Salvatore a Mergellina kurz vor der gleichnamigen Metrostation. Definitiv ein Abend mit Unterhaltungswert, großer italienischer Geste und leckeren Muschelgerichten. Aber Achtung: Wer es wagt, kalten Rotwein zu bestellen, wir harsch zurechtgewiesen. Tststs, diese Engländer…

Manuel: Ein sehr kleiner Tipp ist das Bistro Éclair oberhalb des Stadtparks Villa Comunale – im wohlhabenderen Stadtteil Chiaia. Wie der Name vermuten lässt, gibt es eine große Éclair-Auswahl, aber auch Croissants und leckeres Gebäck, für das Neapel so berühmt ist. Die Bewohnerschaft gehört zum posheren Teil der Stadt und trifft sich hier auf einen Espresso oder Aperol Spritz. Ein wenig Sehen und Gesehen werden, aber alles mit dieser weltoffenen und toleranten Art, die man hierzulande so häufig vermisst. Vielleicht fühlten sich Adorno, Benjamin und Sohn-Rethel deshalb wohl: In all dem Treiben, dem Wachsen der Stadt und seinen historischen Bauten blitzt immer noch eine selige, bürgerliche Welt durch, die andernorts verloren gegangen ist. Und so nebenbei habe ich dort einen der leckersten Espressi in der ganzen Stadt bekommen.

Pizza!

Auch wenn vielleicht alle nach den vielen Zeitungsberichten zur Pizzeria Laezza oder dank Michelin-Empfehlung zur Pizzeria Concettina ai Tre Santi pilgern, möchte ich ausdrücklich die kleinen Läden in den Nachbarschaften den Besucher:innen ans Herz legen. Dann zahlt man nicht 12,- – 15,- € für eine Pizza, sondern eben nur 5,- €, sie schmecken genauso lecker und vor allem taucht man in die Umgebung ein. Besonders schöne Erinnerungen habe ich an die Pizzerien außerhalb des historischen Stadtzentrums. Eintauchen und abtauschen in die Nachbarschaft und sich auf die kleinen Orte abseits der Menschenströme einlassen. Man kommt ins Gespräch, lernt die Menschen kennen und bekommt vielleicht ebenso mit, wenn der Wirt sich auf die Vespa schwingt, um jemand in der Nachbarschaft zu suchen, der die Zeche geprellt hat, während alle anderen Gäste mitfiebern.

 
Neapel - Blick auf die Altstadt im Hintergrund das Bankenviertel
 

Den Radius vergrößern: Blick über Neapel

Zu Fuß kann man natürlich auch einen größeren Radius beschreiten: Entlang des Hafens und hinauf zum Castel Sant’Elmo.

Manuel: Wenn der Vesuv der Fixpunkt der Region ist, dann ist es das Castel Sant‘ Elmo für den Kern Neapels. Auf einer Anhöhe thront die alte Festung – heute auch Sitz der Biblioteca die Storia dell’Arte – samt dem Kloster Certosa di San Martino. Das Ensemble ist definitiv ein Wahrzeichen der Stadt.

Wer gerne zu Fuß unterwegs ist, kann den Aufstieg über langgezogenen Treppen durch das Quartieri Spagnoli wagen. Dafür sollte man vom Hafen aus ca. 45 Minuten einplanen, in den Sommermonaten unbedingt etwas zu trinken mitnehmen und gut bei Puste sein. Der Blick und die Atmosphäre, die sich hier aber einem bieten, wiegen alle Strapazen auf. Stand man soeben noch in dichtem Gedränge und die Ohren dröhnten vom Lärm der Großstadt, befindet man sich nun über den Dächern der Metropole, überblickt fast alle Stadtviertel, den Golf und bewundert den Vesuv. Nun beginnt ein Ratespiel, welches Gebäude man entdeckt. Eine angenehme Brise und viel Grün im angrenzenden Villenviertel sorgen für eine Abkühlung, die man sich unten im Kessel so sehnlichst wünscht. Wer sich mit dem Panoramablick an einer Balustrade unterhalb der Festung nicht begnügen will, kann über einen Aufzug das begehbare Dach der Burg betreten und den atemberaubenden Ausblick genießen.

Wie kommt man wieder runter?

Für den Abstieg empfehle ich einen Spaziergang durch das Viertel Vomero in Richtung Chiaia hin zum Meer. Staunend steht man vor prächtigen, stark gesicherten Villen und Stadtpalais‘ – anhand der Autos, Gespräche und Kleidung der Bewohner:innen realisiert man schnell, dass der Kontrast zwischen dem Dreck, dem Lärm und natürlich auch der Armut der niedriggelegeneren Gebiete nicht größer seien könnte.

Für alle, die sich vielleicht eine oder beide Strecken zu Fuß sparen möchten, gibt es ein ganz besonderes Neapel-Highlight: Mit der Funicolare di Chiaia, der Standseilbahn, gelangt man auch auf die Anhöhe. Mit der Linie von der Station Morghen sind es nur fünf Minuten zu Fuß bis zur Festung. Wahlweise kann man auch mit der Funicolare Centrale von der Station Augusteo bis zur Piazza Fuga fahren und von dort aus zur Festung laufen (ca. zehn Minuten). Etwas weiter entfernt davon hält auch die U-Bahnlinie M1, so dass man von allen zentralen Stationen der Stadt (Dante, Duomo, Toledo…) nach Vomero gelangt.

 
Neapel - Castel del Ovo und Blick auf die Inseln
 

Mein Fazit:

Neapel ist eine laute und quirlige Stadt, nichts für Ruhesuchende. Wer Lust auf Leben um sich herum hat, ist hier genau richtig. Ausflüge und Touren machen die Reise abwechslungsreich, sie können für den großen und kleinen Geldbeutel gestaltet werden. Baden kann man rund um Neapel eher schlecht. Wenn man nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, dann noch weniger.

Aber es gibt auch so genug zu tun. Das Essen ist fantastisch, die Pizza ein Traum, die Meeresfrüchte noch viel mehr und in Deutschland nun Espresso zu trinken eine echte Qual. Die Neapolitaner:innen, die in Restaurants, Cafés und Hotels arbeiten sind auch nach dem hundertsten Touristen mit der immergleichen Frage freundlich und zuvorkommend und haben immer ein nettes Wort oder einen kleinen Witz parat. Ich habe mir auf jeden Fall geschworen: Wenn ich das nächste Mal nach Italien komme, möchte ich mehr italienisch können, um all das zu verstehen, was sie sich so lautstark zurufen.

Wer schreibt?

Britta von World for kids

Manuel Lindinger

Manuel vom L&H Verlag


Der Kinderreiseführer

Über die Autorin

Die Berlinerin Britta Schmidt von Groeling ist zweifache Mutter, Globetrotterin, Politologin und Verlagsfachfrau. Da es den passenden Reiseführer für die eigenen Kinder nicht gab, gründete sie 2015 den Kinderreiseführerverlag World for kids. Nach ihrem Debüt „Thailand for kids“ folgten Reiseführer für verschiedene Länder in aller Welt.

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