Nairobi Downtown
Nairobi ist vor allem eine Stadt der Gegensätze für mich. Da ist die Innenstadt, Downtown, mit hupenden Matatus und aufgemotzten Bussen, die dir in Neonschrift versprechen, dass Jesus schon dafür sorgen wird, dass du heil ankommst. Wir laufen durch die vollen Straßen und unseren Weg begleitet ein Rap von Straßenhändlern, die ihre Rufe nach Kundschaft so aufeinander abgestimmt haben, dass dabei eine Melodie entsteht, die mir immer noch im Kopf herumschwirrt. Eine Gruppe Frauen steht um den Tuchhändler herum, der seine Ware auf einer Plane auf dem Bürgersteig ausgebreitet hat. Jedes Teil wird begutachtet und diskutiert. Ich würde mich gern dazustellen, aber dann ist die Atmosphäre vorbei. Eine Weiße wird sofort bestürmt, soll kaufen, kaufen, kaufen. Es würde eine ganze Weile dauern, bis ich in der Gruppe würde verschwinden, mit ihr eins werden können, und so viel Zeit haben die Damen vielleicht nicht. Ein anderes Mal.
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Wir fallen in der Innenstadt sehr auf, es gibt wenige Weiße, daher hören wir alle paar Meter den Ausruf „Mzungu“, dieses Universalwort für Menschen mit unserer Hautfarbe in der Region. Nicht weiter verwunderlich also, dass Weiße hier selten zu Fuß unterwegs sind. Aber der Ausflug hat sich gelohnt. Denn hier gibt es die coolen Klamotten für unseren Teenagersohn, man muss sich nur trauen, die schmalen Treppen zum Rasumal House emporzusteigen. Und siehe da, er wird fündig. 2.000 Kenya Shilling kostet ein TShirt im Schnitt. Das ist für uns ein mit H&M vergleichbarer Preis, aber die Klamotten sind natürlich viel besser – für ihn jedenfalls!
Fährst du von der Innenstadt aus in Richtung Norden denkst du: „Huch, bin ich aus der Stadt schon raus?“, denn es geht entlang eines Waldes, dem Karura Forest, eines der Erholungsgebiete Nairobis. Hier ist besonders an den Wochenenden viel los. Joggerinnen, Spaziergänger, Biker sind unterwegs. Und viele davon sind mega durchgestylt! Offensichtlich ist das hier mehr als nur Erholung, man zeigt sich auch und will dabei gut aussehen. Wir laufen zum kleinen Wasserfall, eine schöne einstündige Wanderung.
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Alles so schön grün hier
Nach dem Karura Forest erstrecken sich weite Gebiete mit Villen, Einfamilienhäusern, Malls, Botschaften, Chicken-Imbissen, Tankstellen und Supermärkten. Die Viertel hier sind ruhiger, man sieht kaum noch schreiend bunte Busse und Straßenhändler. Hier ist die deutsche Schule, in Laufnähe zur UN und der amerikanischen Botschaft. Unser Apartment, das wir über AirBnB gebucht haben, befindet sich ebenfalls in Laufnähe. Es ist winzig, etwa 40 qm, aber jeder hat ein Zimmer mit Bett und Schrank, die Kinder zusätzlich mit Schreibtisch. Es gibt eine Küche und Bad, einen kleinen Raum in der Mitte zum Sitzen, Essen und Quatschen, es reicht aus. Und wir dürfen den Garten des Haupthauses mitbenutzen. Dieser ist ein wahrer Traum. Große Bäume und Palmen umsäumen ihn, Oleander blüht neben Bananenstauden, es gibt einen Pool, um den Vögel hüpfen, um zu trinken. Ein Ibispaar besucht uns regelmäßig, man erkennt sie schon von Weitem an ihrem durchdringenden Ruf.
Es ist ein wahrer Rückzugsort von der Stadt, die man aber hier oben im Norden gar nicht so wirklich mitbekommt. Ich glaube, viele die hier leben und arbeiten, sind nicht oft in der Innenstadt unterwegs. Wir waren es auch noch nicht viel, aber wir versuchen doch, die Stadt zu erkunden.
Der Ernst des Lebens – fast
Eine Erkundung hätten wir uns allerdings gern erspart, musste aber sein: Wir haben bereits eine Zahnarztpraxis und eine Praxis für Kieferorthopädie von innen gesehen. Uns wurde zwar von allen immer gesagt, dass die Ärzte in Nairobi gut sind, aber dass die Praxen hier so megamodern sind, hatte ich nun doch nicht erwartet. Alles highly professional, freundlich und kompetent. Für eine Wurzelresektion (Aua) zahlt man in der ersten Behandlung ca. 70 €, es folgen noch weitere. Für eine erste Bestandaufnahme einer Zahnspange + Austausch eines Brackets und kleineren Schönheitsreparaturen sind es schon 170 €. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich für unsere Krankenversicherung, die im Ernstfall bei akuten Themen greift, für uns alle vier nur 230 € zahle. Aber es ist ja dennoch immer interessant zu sehen, was eine Behandlung kostet. Wer privat versichert ist, kennt das.
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Zu dem, was hier wieviel kostet kommt demnächst aber noch einmal ein eigener Beitrag. Da sammele ich noch Eindrücke, denn ganz so leicht ist es nicht.
How was your day?
Eins der Dinge, die hier wirklich soooo toll sind, ist die Freundlichkeit der Leute hier. Jeder ist immer erst mal nett. Man fragt sich wie es einem geht, wie der Tag war, tauscht ein paar freundliche Worte aus. Ich glaube, das ist in vielen Ländern so, wir kennen es bloß nicht aus Deutschland (oder vielleicht auch nur Berlin?). Es ist einfach ein angenehmes Lebensgefühl, wenn man sieht, dass die Menschen hier in erster Linie einfach nett zueinander sein möchten, wenn sie sich im Alltag begegnen. Sei es im Supermarkt, auf der Straße, im Geschäft, Café, in der Schule der Kinder oder beim Arzt. Alle sind immer erst einmal nett und freundlich und versuchen, die Dinge, die man miteinander zu besprechen hat, auf eine angenehme Art für alle Beteiligten zu tun. Das erhöht die Lebensqualität enorm, finde ich. Und ich weiß nicht, ob ich mich jemals wieder in eine Berliner UBahn oder eine Bäckerei trauen werde!
Kurz in die Geschichte eintauchen?
Ich greife noch ein Thema auf, da mich eine Freundin gefragt hat, ob man Südafrika von der Bevölkerungsstruktur und dem Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen Einwohnern mit Kenia vergleichen kann: Nein, tatsächlich kann man das nicht. Kenia weist einen Bevölkerungsanteil von 1% von Nicht-afrikanischer Bevölkerungsgruppen auf, das sind laut Wikipedia Europäer vorwiegend britischer Herkunft, Asiaten und Araber.
Kenia war lediglich von 1920 bis 1963 britische Kronkolonie, d.h. es ist seit 63 Jahren unabhängig – und war es davor natürlich auch. Sofern ich das nach der kurzen Zeit, die wir nun hier sind, beurteilen kann, würde ich sagen, dass die wenigen Europäer hier vor Ort keine große Rolle spielen, weder in der Wirtschaft noch in der Politik. Es gibt Hilfsorganisationen, die UN und Botschaften, in denen Europäer tätig sind, außerdem haben sich aus diesen Tätigkeitsfeldern heraus einige hier konstant niedergelassen, weil sie nicht mehr wegwollen. Und natürlich arbeiten einige Leute im Tourismus. Aber die Community der Weißen ist überschaubar, und sie ist in den meisten Fällen aus beruflichen Gründen hier vor Ort und hat dementsprechend auch nur einen sehr begrenzten, auf ihr Tätigkeitsfeld bezogenen Einfluss. Wir, die „ganz freiwillig“ nach Kenia gekommen sind, sind totale Exoten, das merken wir an den Reaktionen der Leute, denen wir das erzählen.
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In Südafrika sieht die Sache naturgemäß ganz anders aus. Hier stellen allein die Europäischstämmigen fast 9% der Bevölkerung und sind zum großen Teil schon seit Generationen im Land, hat große Besitztümer an Land und immer noch starken Einfluss in der Wirtschaft. Südafrika hat eine jahrhundertelange Eroberungs- und Apartheidsgeschichte, die mit der Geschichte Kenias nichts zu tun hat. Auch nach dem Ende der Apartheid 1994 hat es eine lange Zeit der Umwälzungen gegeben, die vermutlich bis heute nicht abgeschlossen ist. Zu lange haben die Systeme der ungleichen Bildungschancen und wirtschaftlichen Möglichkeiten von Schwarzen und Weißen auf die Bevölkerung gewirkt. In der Gesellschaft kann man den Unterschied zwischen Weißen und Schwarzen immer noch stark spüren, besonders in der sehr weiß geprägten Kapregion – auch wenn sich im gesamten Land schon vieles verändert hat. Hinzu kommt noch, dass nach Südafrika viele Menschen aus den angrenzenden Ländern einwandern, die nach Jobs suchen, so dass es eine große Bevölkerungsgruppe gibt, die einfach arm ist.
Buchtipp
Wer mehr über die Geschichte Südafrikas, besonders die der Apartheidszeit, erfahren möchte, kann diesen Buchtipps folgen: Leicht und für Kinder geschrieben der Kurzabriss in meinem Kinderreiseführer „Südafrika for kids“. Die Langversion zur Apartheid findet sich am eindrücklichsten bei Nelson Mandela im Buch „Der lange Weg zur Freiheit“, unbedingt lesenswert!